BESHANI
BESHANI
Vor vielen Jahrhunderten gab es einmal einen sehr wohlhabenden Mann, der inmitten eines weit entfernten Meeres lebte, das nur noch zu einem sehr geringen Teil dessen, was man von ihm in jenen Zeiten kannte, besteht. Er und seine Familie, die er wohl umsorgt hatte, lebten zu einer Zeit fern jeder Erinnerung auf einer kleinen Insel, nicht weit von einer sehr urtümlichen Küstenlinie.
Der Name dieses Mannes war Beshani. Und er lebte auf seiner winzig kleinen Insel mit seiner Frau, vier Söhnen, drei männlichen Bedienten und vier weiblichen Bedienten und einer ganzen Schar Tiere. Beshanis Diener hatten ein wundervollen reichen Besitz, mit dem sie auf jenem urtümlichen Küstenland Tauschgeschäfte machten. Und der Besitz bestand darin, da Beshani und seine Sklaven in die Wasser, nach wie vor rein und lavendelfarben, hinabtauchten und Meere Geschöpfe, die eine Schale hatten, heraufbrachten.
Sie pflegten diese Geschöpfe zu nehmen und eine Tinte von ihnen abzusondern, die auf den ersten Blick schwarz war. Doch wenn sie verdünnt wurde und ein wenig mit Meersalz gemischt wurde, dann entstand daraus die wohl wundervollste Farbe. Diese Farbe war selten, und sie wurde ausschliesslich von Königen, Edelmännern, Priestern begehrt... und die Farbe war Violett. Beshani und seine Familie verdienten sich ihren Lebensunterhalt durch die Herstellung der Farbe Violett und dadurch, da ausschliesslich sie dies taten und auch ihr Geheimnis wahrten, was die Art der Herstellung anging.
Beshani liebte seine Familie und, in der Tat, behandelte seine Sklaven, seine männlichen Bedienten und seine weiblichen Bedienten, als Gleichgestellte und mit Respekt. Und dort auf der winzigen Insel gab es viele Tage balsamische und süsse Freude, und viele wundervolle Abende mit einer von Jasmin erfüllten Luft.
Doch da brach über all diese Glückseligkeit ein rasender Sturm herein, der aus dem Norden hereinstürzte. Ein ungewöhnlicher Sturm. Und selbst Beshani hatte in all seinen Tagen, so alt er doch schon war, niemals einen solch unheilvollen Wind erlebt. Denn ohne Zweifel war der gesamte Horizont scharlachrot erhellt, das Licht diffus - bedrohliche, wogende, feuerkesselartige Wolken. Der Sturm brach mit einer ungeheuren Raserei los, ungeheuren Raserei in der Tat. Die Regen fielen und der Hagel fiel und sogar unsaubere Dinge fielen vom Himmel herab. Und er tobte zwei Tage und zwei Nächte lang. Und das Wasser stieg und stieg. Und trotz immenser Anstrengungen wurde Beshanis Heim - sein Haus, seine Rinder, seine Schafe, seine Ziegen, seine Wildvögel, all die Dinge, die ihm am Herz lagen und ihm notwendig erschienen, in dem Sturm weggeschwemmt und vernichtet. Und in der letzten halben Stunde, während die Sandbänke untergingen, wurde Beshanis Familie von einer riesigen Welle verschlungen. Wie könnte es auch anders sein, er selbst wurde gerettet. Aber was bedeutete ihm sein Leben noch, wo doch alles, wofür er gearbeitet hatte, weg war, alles, was ihm am Herzen lag, weg war, und alles, für das er gelebt hatte ...das er geliebt hatte, war weg.
Beshani wurde wie durch ein Wunder gerettet, obschon ein Lebensgeist in ihm war, der eher dem eines Leichnams glich. In seinem Lebensgeiste war er wie tot. Da er viel lieber sterben als leben wollte, war er höchst unglücklich darüber, da er ans Ufer geschwemmt und gerettet wurde. Man brachte ihn zu einem damaligen sogenannten Priesterhaus, wo er gepflegt wurde und wo Menschen waren, die ihn wiedererkannten als den Schöpfer der Farbe Violett... der würdigsten aller Farben, und nur er kannte das Geheimnis ihres Ursprungs.
Unverzüglich sandten sehr hochgeborene Edelmänner nach Beshani, die für ihn sorgten und ihm Pflege angedeihen liessen und ihm ihre privaten Gärten, und Tonika und süssen Wein und Nektar zur Verfügung stellten. Hinreichend sorgten sie für ihn... wollten sie doch immer schon das Geheimnis seiner Farbe, seines Violetts wissen. Er kam von einem Edelmann zum nächsten.
Nach wie vor grau in seinem Lebensgeiste, warf er sich eines Abends auf einem Hügel nieder... und grub sein Gesicht ins Gesträuch und schrie auf...Was ist WAHRHEIT! Wo sind die Götter? Was habe ich Falsches getan, da sie mich mit diesem Leben bestrafen würden wollen und mich alle Tage meines Lebens in so einem fürchterlichen Elend und Schmerz zubringen würden lassen wollen!"
Und Beshani wanderte weg. Ein alter Mann, gezeichnet an Jahren, alternd. Gram in seinem Herzen; es war zuviel, konnte es kaum mehr verkraften. Und er stiess auf einen Weisen jener Tage, der wundervolle Kräuter mischte und für ihn Elixiere und Tränke bereitete, und ihn ohne ein Wort zu einem Rest von Gesundheit nährte. Und der alte Weise, der stets an seinem Gebräu arbeitete, stets für lange Momente verschwand und wieder mit seltsamen Dingen in einem seltsamen Sack zurückkehrte, pflegte einfach nur zu lächeln und seine Kräuter zuzubereiten und es ihm dann zu reichen, und sagte niemals auch nur ein Wort.
Und eines Tages sagte Beshani zu ihm: Ich werde verrückt werden, meinen Verstand verlieren, wenn mir nicht irgend jemand erklärt Warum. Warum sollte ich wohl leben? In der Tat, warum solltest du dich um mich kümmern! Ich will nicht leben, denn niemand hat mir WAHRHEIT gegeben."
Und der Weise bereitete für ihn eine goldenes Elixier zu und sagte: Trinke. Die ersten Worte, die der Weise zu ihm gesprochen hatte.
Beshani trank also das Elixier und nur Augenblicke danach wurde es ihm warm und frohgemut, und wurde erfüllt von einem leichten Herzen und Freude. Und rief aus und erklärte: es sei ein neues Leben, das durch seine Adern ströme. Und viele Augenblicke lang konnte man ihn in grossem Frohsinn und Heiterkeit und Glücklichsein vorfinden.
Und der Weise sprach zu ihm: Du, der du zu verstehen suchst, musst zu dem entferntesten Gebirge, auf den höchsten Berg. Du wirst ihn sehen. Er ragt weit im Westen auf. Und dorthin musst du deine Reise machen, und wenn du die Reise überlebst, musst du den Berg hinaufklettern. Er ist sehr tückisch. Und sobald du zu dem Berg gelangst, wird er in den Nebelwolken verhüllt sein, und dort wohnt der Herr, und wenn du den Herrn finden kannst, wird er dir die WAHRHEIT geben.
Beshani, in all seiner Heiterkeit, war über alle Massen froh. Und er machte sich auf seine Reise mit mehreren Packen Weizenkuchen und Kräutern und Paprika und Knoblauch und altem Käse, und der Weise schickte ihn auf seinen Weg. Und auf dem ganzen Weg hat er, obgleich er ein alter Mann war, vielen Mühsalen standgehalten, denn dort, von wo er kam, gab es für ihn nichts mehr, und alles, was er wollte, war, zu wissen ,Warum" und WAHRHEIT zu verstehen.
Und so zog der alte Mann auf wackligen Beinen gen Westen. Und schliesslich erblickte er ein hoch aufragendes Gebirge. Und etwas zur Linken war ein riesiger Berg, scheinbar in reines Kristall getaucht, da er so schimmerte. Er schimmerte, leuchtete und brachte Farben in dem diffusen Lichte, von dem er umgeben war, hervor. Und der alte Mann machte am Fusse dieses grossen Berges ein Lager und überlegte, wie er wohl dort hinaufklettern sollte. Und er dachte darüber nach, wie er weit in den Tiefen des Ozeans nach den Geschöpfen zu suchen pflegte, die jene zauberhafte Tinte aussonderten; er würde sich einfach diesen grossen Berg als die Tiefen des Ozeans vorstellen und statt nach unten zu gehen, würde er nach oben gehen. Das war einfach genug.
Beshani, der alte Mann, war also voller Entschlossenheit, überdeckt mit dem Gram in seinem Herzen. Und er brauchte viele Tage, den Berg zu erklimmen. Und immer mehr näherte er sich den Nebelwolken, die seinen Gipfel wie ein Heiligenschein umgaben. Und als er schliesslich ankam, waren dort grosse und wundersame Wesen. Sie rochen schrecklich, aber sie spielten wundervolle Musik. Als ob sie ihn erwartet hätten, führten sie ihn in eine grosse und wundersame Halle, die kein Deckengewölbe hatte, statt dessen wogende, seidige Wolken Und in der Halle, wie durch Zauber vor ihm zubereitet, war ein herrliches Festmahl mit dem feinsten Fleisch und kandierten Früchten, und mit einer goldenen Flüssigkeit in Kristallkelchen. Und man lud ihn ein, sich niederzusetzen, während Musikanten wundervolle und seltsame Musik spielten. Und stets kamen bezaubernde Klänge aus ihrem Mund und tanzten Lichter in ihren Augen. Und zu seiner grossen Verwunderung waren auf diesem Zaubertisch sehr, sehr winzige Leute. Und sie tanzten diesen grossen Tisch auf und ab und sangen ihr eigenes jubilierendes Lied. Sie waren nicht kleiner... so klein wie seine Hand. Und alles und jedes an diesem Ort schien so richtig glücklich zu sein. Und plötzlich verstummte die Musik und ein wundervoller alter Mann kam in die Halle herein. Und er begrüsste Beshani. Er sprach: ,Ich glaube, ich bin derjenige, nach dem du gesucht hast."
Und Beshani erwiderte: Gewiss, wenn du mir die WAHRHEIT mitteilen kannst.
Und der alte Mann sagte zu ihm: Was ist es, das du zu wissen begehrst, denn ich werde dir die WAHRHEIT geben. Und Beshani fing gerade an, seinen Mund zu öffnen und zu sagen. Warum
Und da verschwanden mit einemmal alle Musikanten. Das ganze Essen verschwand. Und die winzig kleinen Leute verschwanden ebenfalls. Und nichts war zurückgeblieben, ausser der goldenen Flüssigkeit in dem Kristallkelch und dem Licht, das von nirgendwo in diesem dachlosen Raum herzukommen schien. Und anstatt diesen Herrn nach dem „Warum“ zu fragen, sagte er statt dessen zu ihm: Warum ist WAHRHEIT so schwer zu finden? Warum musste ich den ganzen langen Weg hierher kommen und diesen tückischen Berg erklettern, nur um zu wissen?
Und der Herr, ein alter Mann, blickte ihn an mit Feuer in seinen Augen, mit einer Seinsheit, die heiter über sein Gesicht tanzte, und er antwortete Beshani mit den Worten: Siehe, deshalb, weil du die Antwort an diesen Ort gestellt hast. Weil du mich hierher gestellt hast. Warum bin ich auf diesem Berg? Weil du mich hierher versetzt hast. WAHRHEIT, mein geliebter Beshani, ist nur so weit weg, wie sie es unserer Auffassung nach ist, und so nahe, wie wir ihr es zu sein erlauben.
Beshani genoss das Fest seines Lebens. Es brachte nicht seine Familie zurück. Es brachte nicht sein Haus zurück... aber es brachte ihn zurück. Denn WAHRHEIT, was ihr Verstehen angeht, ist nur so Gross wie unser Bedürfnis nach ihr. Und wenn wir sie finden, waren wir niemals wirklich weggegangen, es war nur eine Reise nach innen
Ramtha.
Bearbeitet, 13.2.98 Andreas Kleindienst
Alle Ramtha Texte wurden durch seine Geistige Tochter mit dem irdischen Namen
JZ. Knight von Ramtha während 10 Jahren persönlich empfangen.