Das Bein aus Eichenholz

DAS BEIN AUS EICHENHOLZ

 

Es gab einmal eine Zeit, als die sogenannten Lagerhallen von Onai noch gefüllt waren. Und sie standen unter Verschluss. Und all das getrocknete Fleisch war dort versiegelt. Und all die Früchte, herabgefallen waren, waren in Glasgefässen gelagert worden. Und all das war süss und reichhaltig. Und als die aufgehängten Keilbalken unter dem Schwert fielen und wir die Stadt belagerten, da kam der Punkt, dass der Gierige erschlagen worden war, und der Schlächter erschlagen worden war, und dass die Tore geöffnet worden waren. Und die Menschenmenge glich einem, äusserst aufgeregtem Mob, eifrig damit beschäftigt, den Weizen in ihren Rücken, in ihren Hüten, in ihren Waffenausrüstungen wegzutragen, zusammen mit allen anderen Sachen, die sie darin unterbringen konnten.

Da ertönte, hinter einer der Lagerhallen, sehr schwach, neben all den Aufregungen und dem Lärmen und dem Gezänk und dem Eigennutz und dem Hin-und-Her­ Geziehe und dem Spötteln und dem Fluchen und dem Wortwechsel und neben allem anderen. das mit einer aufgeregten Menge einhergeht ein furchtbarer Schmerzensruf ein Schrei.

Ich war damals, als ich ein junger Mann war, meinen Körper betreffend sehr hager, sehr dürr, wie ihr es nennen würdet. Und das Schwert, das ich trug, war manchmal eine ungeheure Last, denn ich konnte es nicht auf meine Hüften binden, sonst wäre es auf dem Boden entlanggeschleift. Also band ich es auf meinen Rücken.

Und als ich gerade mittendrin war, beim Beobachten dessen, wie es allen gutging und erging, und wie sie heftig, rasend, begierig alles restliche vernichteten, was meine armen, unglückseligen Freunde nicht brauchen konnten, da hörte ich einen Schmerzensruf. Und ich blickte gerade auf ein Buch, das kopfüber dalag. Ich wusste nicht, wie es hiess ich konnte nicht lesen, aber ich wusste. dass es sich um ein bedeutendes Buch handelte, denn ich hatte beobachtet, wie sich zwei darum gestritten hatten. In dem Moment, als ich das Buch aufhob, es betrachtete und überlegte, es in meine Schärpe zu stecken, da hörte ich erneut den Schmerzensruf und nahm das Schwert von meinem Rücken herun­ter, legte es über meinen Vorderarm, hielt es an seinem Heft, und begann gleichsam mich laut vernehmbar heranzupir­schen, um herauszufinden, woher das Geräusch kam. Bis jetzt, nahm ich dort aus der Dunkelheit lediglich das wahr, was einem verwundeten und armseligen Tier gleichkam, und was, etwas stärker roch, als der Geruch von vergorenem Getreide, von Fleisch, das getrocknet worden war. Blut und dessen beissender Geruch war bereits in meiner Nase.

Und als ich angestrengt dort hineinstarrte, stocherte ich mit meinem Schwert in die Dunkelheit, um auf dem Boden entlangzusto­chern, und als ich dies tat, stocherte ich hilflos, auf ein armseliges Etwas, das dort in der Dunkel­heit verschluckt war. Und es stiess einen Schrei aus. Und ich, erschrak durch den Schrei und wich zurück und forderte dass es zum Vorschein kommen solle. Als nichts geschah und erst als der Schrei etwas schwächer und schwächer zu werden begann, da schaute ich angestrengt durch die Dunkelheit und entdeckte, in einem Teil des Kellers einen Überhang. Irgendein armer Kerl war da halbtot, denn sein Bein war direkt über dem Knie abgetrennt. Und was abgetrennt war, war sauber geschnitten, aber das Bein hing noch dran.

Und es herrschte die heisse, erstickende Wärme von Blut vor, so wie eben Blut, wenn es aus einer Wunde wie dieser hervorströmt, zu etwas Stickigem wird. Und ich ging hinein und wusste dass es sich um etwas Furchtbares handeln würde. Der Kerl war leicht zu erschlagen. Er war ein Bastard.

Und ich blickte hinunter, und dieses Ding hatte seine Schärpe genommen und sie sehr fest um seine Beine gewickelt und hatte damit dafür gesorgt, dass nur sehr wenig von dem, was Blut der Hauptschlagader genannt wird, hervorströmt, aber dennoch, es kam hervor. Und ich blickte auf die Wesenheit, die ich kaum sehen konnte und er sah zu mir hin, in einer Weise, wie es die Zauberin Mond an manchen Abenden macht, wenn die Schatten auf ihrem Gesicht sehr tief sind und sie sehr hohl aussieht. Er sah aus wie der Tod, noch um sein Leben ringend, wisst ihr. Die Augen waren eingesunken; sie leuchteten nicht auf von dem Licht, das hinter mir war. Als ich die Wesenheit nahm und dorthin bewegte, wo ich sie etwas besser sehen konnte, nun, als ich das tat, da war der Schmerz in dem Körper gross, und ich bewegte ihn behende. Und ich schaute hin, und wisst ihr, was ich sah? Einen jungen Mann, meines Alters, der ein Teil gewesen war, von irgendwelchen Ausbildungsübungen und von einem gewitzten Gott... um alles Mögliche zu tun; sie kämpften nie wirklich, sie waren lediglich zum sogenannten Vergnügen der Aufseher da, wie auch dazu, um deren Befehle auszuführen! Und der junge Mann ... sein Mund war wie ausgetrocknet; er hatte den Speichel von seinem Mund genommen und das Blut auf seiner Stirne getrocknet, und seine Finger waren scharlachrot und sie waren rissig geworden von dem Versuch, sich selbst zu helfen.

In nur einem Augenblick wusste ich, dass diese Wesenheit ein guter Mensch war. Und vielleicht war es das starke Gefühl, dass wir ein und dasselbe sind, das mich veranlasste, etwas zu unternehmen. Ich ordnete an, dass das, was ein brennendes Stück Holz genannt wird, herbeigebracht werden solle, was bereitwillig getan wurde. Wir brachten, einen Teil von dem, was man als Schwert bezeichnet, das gebrochen war und das nun in dem brennenden Holzstoss lag. Und es war nicht weiss vor Hitze, aber es begann an der Spitze seiner kantigen Schneide scharlachrot zu glühen. Wir nahmen es und legten es gegen das Bein. Und mein lieber Freund schrie auf und dann verliessen ihn die Sinne. Denn der rohe Schmerz, und der Gestank allein reichten aus, um mich nach Luft ringen zu lassen. Er fiel in eine Bewusstlosigkeit und wir legten das Schwert sogar noch tiefer an, und es versengte die Haut und das Haar, und es roch, wie Hühner riechen, würde man sie lebendig verbrennen. Und als das getan war, schlugen wir den Rest des Beines ab und verbrannten es.

Eine gute Frau kam mit einer Schale jenes beissend riechenden Heilkrauts und begann, das Bein damit sanft zu betupfen. Und sie beginnen, es in das einzuhüllen, was loses Leintuch genannt wird. Das Leinen hielt das einwirkende Heilkraut fest, und gestattete auch, dass es zur Zufuhr von Sauerstoff kam. Er wurde in Pflege genommen. Ich vergass jenes Geschöpf, als wir mit Onai abgeschlossen hatten.

Und ich blickte hinaus auf eine ungewisse Ebene und einen ungewissen Berg und einen ungewissen Horizont... was werde ich jetzt tun? Ich erinnerte mich meiner Verzweiflung und ergriff was man, Schulterbeutel nennt, und er war vollgepackt mit einigen lebensnotwen­digen Dingen für meinen Körper, und ich begann loszuwandern. Und als ich loszuwandern begann, da hatte sich mir ein höchst studierter Lehrer angeschlossen, zusammen mit seinem Wein und seinen guten Büchern und einem forschen Schritt, und als ich zurückblickte, da war da eine ganze Schar, und sie kamen tatsächlich ... von überall her. Ich sah Frauen mit ihren Säuglingen auf ihren Hüften. Ich sah wie alte Männer, die kaum mehr laufen konnten, ihre Bettlager auf ihre Rücken luden und nachfolgten. Ich sah wie junge, begeisterte Männer sich sammelten, meinen Namen rufend! Und dann sah ich, als ich zurückschaute, jenen jungen Mann auf einem sogenannten Haltegurt und auf einem Esel sitzend und den Esel leitend, und in höchster Verwunderung blieb ich stehen.

Wohin gehen all diese Leute? Und als ich stehenblieb, blieben auch sie stehen.

Da gab es einen alten Mann, der dort stand und der so alt war, dass seine Knie tatsächlich so gross wie seine Füsse waren, die Beine dünn waren. und sein Haar auf ihnen grau war, und seine dürftige Lendenkleidung gerade soeben auf seinen formlosen Hüfte festgehal­ten wurde. Und er stand dort in seinem Leinenhemd, und seine feurigen schwarzen Augen tanzten. und sein Haar wehte wild im Wind. Speichel war auf seinem Bart und da war eine Gespanntheit an ihm, und er stand da mit etwas in seiner kleinen Hand, das wie der Teil von einem Schwert aussah, und beobachtete mich. Und dann gab es da noch eine ganze Reihe makelloser, gut gepflegter Beine. Und andere, die voller Schwielen von der Feldarbeit waren. Und Frauen, und der kleine Junge, der mit grösserer Stärke dastand als alle anderen, währenddessen noch kein haare auf seiner Brust hervorlugten. Einhundert an der Zahl standen da und sie alle schauten.

Wohin geht ihr? Und der alte Mann wandte sich um und blickte auf die Nachfolgenden, und diese gingen weiter nach vorne, und er ging weiter nach vorne. Und zahnlos begann er mir mitzuteilen, dass er dahinginge, wo auch immer ich hinginge, dass er keine gute Schlacht mehr gesehen hätte, seit er Onai verlassen hätte. und dass er sich brennend wünschen würde, eine weitere Kostprobe davon zu bekommen.

Und ich blickte auf sie alle. Die alte Frau kam mit dem Esel heran, und der junge

Mann wandte sich zu mir und sah mich an und sagte zu mir: Ich werde dir dorthin folgen, wohin auch immer du gehst. Und so wie ich es zu tun vermag, werde ich dir dienen. Denn du hast mein Leben gerettet, eines, das nichts zählte, und hast mir gestattet zu sein, und ich werde mir ein Bein aus Eichenholz zimmern und es mir an die Hüfte binden, die wendig ist, und ich werde nahezu so behende sein wie ein Junger, um dir bei deinem Vorhaben zu helfen.

Ich schaute zu dem ähm hochgeschätzten Mann, der seine Bücher und seinen Wein geholt hatte und vorhatte, mit mir gemeinsame Sache zu machen, und er sah

mich unter seinen Augenbrauen hervor an und sagte zu mir: Es ist geboten, dass du etwas hinsichtlich dieser wirren Lage unternimmst, und ich würde vorschlagen, dass du damit beginnst weiterzuwandern. Und auf sein Geheiss hin, tat ich dies. Und während ich wanderte, war mir fast bange, hinter mich zu schauen, denn solch grosser Lärm war da Ochsen brüllten, Gänse zeterten, Kinder schrien, Frauen jammerten, Männer liessen sich eifrig schwatzend über alte Erinnerungen aus, die ihnen entfallen waren, und kleine Jungen hoben Stöcke auf und fochten miteinander, und es wirbelte grosser Staub auf ihrem Weg.

Noch bevor wir die Ebene von Sharon verlassen hatten, besass der junge Mann ein Eichenbein. Es war auf sorgfältigste Weise geschnitzt, damit es wie ein Fuß aussah. Und nicht ein Klotz war es, sondern es war ein Fuss, und er trug sogar eine Sandale. Und so hervorragend war das Bein, dass er, als wir in den Sudan hineinkamen, von einem wundersamen Volk dort, eines aus Maha­goni geschenkt bekam, poliert bis hin zu dem schimmernden Glanz von Ebenholz. Und äusserst schwankend war er in seinen Lendenkleidern mit dem sogenannten Bein aus Perlmutter oder dem anderen aus Ebenholz, aber nichts desto weniger war er behende auf dem Bein und dem Fuss.

Als Reiter in den grossen Eroberungszügen ritt er sehr gut. In einem speziellen Fall war es, dass das Bein ihm das Leben rettete, als er auf seinem Pferd sass. Ein Schwertkämpfer, stiess eine Lanze in seine Richtung und sie drang in das Holz ein, nicht in ihn; und als er von seinem Pferd abstieg, musste er es sehr vorsichtig tun, denn die Stichwaffe steckte in seinem Bein, und er hatte das Bein einfach nur losbinden und entfernen müssen, und es hinterliess ein hässliches Loch.

Und was er zu meinem Marsch beitrug, war seine Tapferkeit, seine Überzeugung, und ungeachtet dessen, dass er nicht zwei Beine besass, brachte er es fertig, dass das eine gut funktionierte, und manchmal sogar besser, als jene, die zu faul waren, sich von ihrem Hinterteil zu erheben, um etwas hinsichtlich ihres Elends zu tun.

Er lebte über den Tag meines Auffahren hinaus und liess sich nieder, nicht weit von dem, der Fluss genannt wird, der der Hauptteil des Indus ist. Jene Wesenheit erzählte seinen Kindern bis in alle Einzelheit von den Tagen der Tapferkeit und des Heroismus und von den ersten Tagen des Marsches des Ram.

 

Ramtha.

 

Bearbeitet, 17.2.98 Andreas Kleindienst

 

Alle Ramtha Texte wurden durch seine Geistige Tochter mit dem irdischen Namen

JZ. Knight von Ramtha während 10 Jahren persönlich empfangen.

 

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